1 Etymologie
Woher der Name Mistel kommt, ist nicht ganz klar. Der lateinische Name „viscum“ kommt vermutlich von „klebrig“, da im alten Rom aus den Beeren ein klebriger Leim, Vogelleim genannt, gewonnen wurde, der zum Fangen von Singvögeln verwendet wurde. Er wurde auf Äste gestrichen, damit die Vögel daran kleben bleiben und nicht mehr wegfliegen können. Vom lateinischen Wort „viscum“ leitet sich auch der Begriff „Viskosität“ ab.
Der deutsche Name Mistel leitet sich von dem Wort „Mist“ ab, denn die Mistelsamen enthaltenden Beeren der Mistel werden von Vögeln, vor allem von der Misteldrossel, gefressen. Die Ausscheidungen der Vögel (Vogelmist) mit den unverdaulichen und mit einer klebrigen Schicht überzogenen Samen gelangen dann wieder auf Bäume, wo sie keimen können. Ein weiterer Übertragungsweg besteht darin, dass die klebrigen Samen beim Fressen der Beeren an den Schnäbeln der Vögel haften bleiben und durch das Putzen der Schnäbel an Ästen haften bleiben.
2 Kulturgeschichte und Mythologie
Um die Mistel ranken sich seit undenklichen Zeiten zahlreiche Mythen. Von den Druiden, den gallischen Priestern, wurden Misteln sowohl zu kultischen Handlungen als auch als Heilmittel verwendet. Auf Eichen wachsende Misteln hielten sie für von Gott gesandt und verehrten sie dementsprechend. Man sprach ihnen Schutz vor Bösem und die Förderung der Fruchtbarkeit zu und betrachtete sie als Zeichen des immerwährenden Lebens.
In den bekannten Geschichten über die Galliern Asterix und Obelix mixt der Druide Miraculix vor Kämpfen gegen die römischen Legionäre einen Zaubertrank, den er aus mit einer goldenen Sichel geernteten Misteln herstellt und der dann übernatürliche Kräfte verleiht. Die historischen Wurzeln dieses Mythos findet sich beim römischen Schriftsteller Plinius (23-79 n. Chr.) in seiner Naturgeschichte in folgender Textstelle:
„Bei dieser Gelegenheit darf man auch nicht die Bewunderung der gallischen Provinzen [für die Mistel] übergehen. Denn nichts halten die Druiden – so nennen sie ihre Magier – für heiliger als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, sofern es nur eine Eiche ist. Schon von sich aus wählen sie Eichenhaine und vollziehen keine heilige Handlung ohne Eichenlaub, so dass es den Anschein haben kann, dass sie in griechischer Deutung davon auch ihren Namen Druiden haben. Sie glauben in der Tat, dass alles, was auf ihnen wächst, vom Himmel gesandt und ein Zeichen des von Gott selbst erwählten Baumes sei. Sie [die Mistel] ist aber ziemlich selten aufzufinden und wenn sie gefunden wurde, wird sie mit großer Feierlichkeit geholt […]. Sie nennen sie mit einem Wort ihrer Sprache „die alles Heilende“. Nachdem man ein Opfer und das Mahl unter dem Baum nach rechtem Brauch vorbereitet hat, führen sie zwei Stiere von weißer Farbe herbei, deren Hörner dann zum ersten Mal umwunden werden dürfen. Ein mit einem weißen Gewand bekleideter Priester besteigt den Baum, schneidet sie [die Mistel] mit einer goldenen Sichel ab; sie wird in einem weißen Tuch aufgefangen. Endlich schlachten sie dann die Opfertiere und beten, der Gott möge die Gabe glückbringend machen für diejenigen, denen er sie gab. Sie glauben, dass durch ihren Trank jedem unfruchtbaren Lebewesen Fruchtbarkeit verliehen werde und dass es ein Heilmittel gegen alle Gifte sei. So groß ist häufig der Aberglaube der Völker in nichtigen Dingen“ (Plinius.nat. 16, 249ff.).
aus https://www.bretagne-tip.de/geschichte/kelten-druiden-misteln-plinius.php
Auch in der germanischen Sagenwelt spielt die Mistel eine bedeutende Rolle in der dramatischen Sage von Baldur, dem nordischen Gott der Sonne und des Sommers. Der Licht- und Frühlingsgott Baldur träumte einen bösen Traum mit Todesahnungen. Seine Mutter, die Göttin Frigga, wollte ihren geliebten Sohn beschützen und nahm deshalb allen Wesen und Dingen der Welt das Versprechen ab, Baldur nicht zu verletzen. Nur eine junge kleine Mistel, die auf einer Eiche vor Walhalla wuchs, schien ihr zu unbedeutend. Dies wurde Baldur zum Verhängnis, denn der Gott Loki war eifersüchtig auf das „Muttersöhnchen“, das bei allen Göttern so beliebt war. Als Bettlerin verkleidet, fragte er Frigga aus, ob sie wirklich allen Wesen den Eid abverlangt hätte. Da erfuhr er von der Mistel.
Die etwas gelangweilten Götter nutzten inzwischen die Unverwundbarkeit Baldurs dazu, „Ballerspiele“ zu veranstalten: Sie bewarfen ihn mit Speeren, Steinen und anderen Waffen und freuten sich, dass ihn nichts verletzte. Inzwischen hatte Loki den Mistelzweig geholt und ging zum Bruder Baldurs, dem blinden Hödur. Der Arme konnte nicht mitspielen, weil er nichts sah. Da bot sich Loki an: „Spanne deinen Bogen, hier ist ein Pfeil. Ich werde für dich zielen.“ Der Mistelpfeil traf und Baldur sank tödlich getroffen zu Boden. Nun musste er seine letzte Reise in die Unterwelt der Göttin Hel antreten. Friggas vergossene Tränen verwandelten sich in die weißen Beeren der Mistel. Erst bei der Götterdämmerung, dem Untergang der alten Welt, aus der eine Neue entsteht, wird Baldur aus dem Reich der Hel zurückkehren. In diesem Mythos verbergen sich alte Vegetationskulte, wo eine Gottheit sterben muss, als Vorbedingung für das Ergrünen der Natur im Frühling (Quelle: http://www.heimat-pfalz.de/hans-wagners-naturseite/907-die-mistel-eine-alte-zauber-und-heilpflanze.html/).
Im alten Griechenland herrschte der Glaube mit einem Mistelzweig ließe sich das Tor zur Unterwelt öffnen. In seinem Epos Aeneis. Im sechsten Buch der Aeneis rät die Seherin Sibylle dem Helden Aeneas:
„Nun denn, vernimm was zuvor noch zu tun: an schattigem Baume birgt sich, golden an Blättern und biegsamem Schafte, ein Zweig, der Juno des Abgrunds heilig genannt; ihn schützt und umhüllt der ganze Hain, im dunklen Tal umschließen ihn Schatten. Keinem ist aber der Weg zur Erdentiefe gestattet, eh er den goldenumlaubten Zweig vom Baume gepflückt hat.“
Auch im christlichen Mittelalter wurden die Mistel wegen vieler ihr zugeschriebenen positiven Eigenschaften als Schutz- und Abwehrpflanze sehr geachtet. So soll sie Bäume und Häuser vor Blitzschlag und Gewitter schützen. Das Anbringen von Mistel an Haustüren und Ställen sollte Schutz vor Hexerei gewähren, in Ställen Schutz vor Feuer und Tierkrankheiten und um Obstbäume gebundene Mistelzweige sollten Schutz vor Raupen und Hagel bieten. Weiters hat man die Mistel auch als Wünschelrute verwendet und auch als glücksbringendes Amulett.
Schon 1551 schrieb der deutsche Botaniker, Arzt und lutherischer Prediger in seinem „Kreutterbuch“ zu diesen angeblichen magischen Kräften der Mistel:
„Solche Fantasie und Aberglauben sind bei uns eingerissen/ Denn viele meinen noch/ es haben die Eichen Misteln etwas Kraft und Gewalt für böse Gespenster/ hängens auch zu Teil den jungen Kindern an die Hälse/ der Meinung/ es soll denselben Kindern keine Zauberei und Gespenst schaden.“
Schon seit Jahrhunderten werden der Mistel auch verschiedene Heilwirkungen nachgesagt. Der erwähnte H. Bock führt dazu aus:
„Die Misteln seind der eygenschafft, das sie allerlei geschwulst zertheylen, erweychen, und herausser ziehen. Von Natur mehr wässeriger dann drucken, nie zu kalt noch zu warm, einer mittelmäßigen Temperatur und Vermischung werden zum Theil im Leib und ausserhalb genützt.“
Zu ihren wirksamen Inhaltsstoffen zählen besonders die Mistellektine, Voscotoxine, basische Proteine, Polysaccharide und Flavonoide, die blutdrucksenkende, schmerzlindernde, immunmodulatorische und zytotoxische Wirkungen haben.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gilt die Mistel als ein alternatives Heilmittel gegen Krebs. Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie (eine alternative Heilmethode), führte das Kraut in der Tumortherapie ein. Sein Ansatz: Die Mistel entziehe ihrem Wirt – normalerweise ein Baum – Wasser und Nährstoffe und hungere diesen damit langfristig aus. Auch Krebs ließe sich auf diese Weise bekämpfen. Seit langem diskutieren Wissenschaftler darüber, ob Mistellektine gegen Krebs helfen können. Bislang gibt es jedoch keine überzeugenden Studien, die eine Wirkung belegen. Es ist weder geklärt, ob Mistelpräparate das Wachstum eines Tumors unterbinden können, noch, ob die Behandlung die Lebensqualität von Krebskranken verbessert. Lediglich bei Patientinnen, die an Brustkrebs litten und eine Chemotherapie erhielten, wurden positive Effekte auf die Lebensqualität beobachtet. Einige Studien weisen tatsächlich auf eine mögliche Wirksamkeit von Misteln gegen Krebs hin. Von Kritikern der Misteltherapie werden sie aber abgelehnt, etwa weil die Untersuchungen mangelhaft durchgeführt oder nicht von Experten geprüft wurden oder nicht den modernen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen. Insgesamt gibt es bislang keinen eindeutigen Beleg dafür, dass Misteln gegen Krebs helfen können (Quelle: Apotheken-Umschau).
Eine ausführliche Darstellung der Misteltherapie findet sich bei:
Allgemein bekannt ist der Brauch, sich unter einem Mistelzweig zu küssen, der auf die Mistel als heidnisches Fruchtbarkeitssymbol zurückzuführen ist. Die Franzosen hängen am Neujahrstag über der Tür einen Mistelzweig auf, unter dem Freunde und Verwandte geküsst werden und der Spruch „Au gui, l’an neuf“ (d.h. „Mit der Mistel kommt das Neujahr“) gesagt wird.
Mistelzweige als weihnachtliche Dekoration sind in den angelsächsischen Ländern, wie bei uns der Christbaum, ein traditioneller Brauch, der seit einiger Zeit auch im deutschen Sprachraum gepflogen wird. Die Mistel gilt hier als Symbol des wieder erwachenden Lebens. Die kulturelle Bedeutung der Mistel in England manifestiert sich auch in einem beliebten Märchen, das den Kindern zu Weihnachten erzählt wird:
Es waren einmal zwei Jungen, gleichen Alters und im gleichen Dorfe geboren. Sie waren große Freunde und immer zusammen. In der Schule wurden sie nur „die zwei Freunde“ genannt. John sah blendend aus und hatte schwarzes Haar. Jack dagegen war bleich und blond. Die Jahre vergingen, und die Freunde wurden Männer. Die Geschichte dieser Freundschaft wurde im ganzen Lande bekannt, und sie gelangte auch zu den Ohren des Königs im Märchenland. Eines Tages kam der König mit seinen Elfen und sagte zu John und Jack: „Da ihr die größten Freunde in der Welt seid, will ich einem jeden einen Wunsch erfüllen.“ John und Jack antworteten wie aus einem Munde: „Bitte, König, jetzt noch nicht!“ Also ritt der König wieder zu seinem Lande zurück. Nach zehn Jahren kehrte er wieder; aber die Freunde sagten abermals: „Bitte, König, jetzt noch nicht!“ Alle zehn Jahre wiederholte sich dies. Als sie nun Greise geworden waren, sagten sie zum Märchenkönig: „Unser Wunsch ist, dass, wenn wir gestorben sind, wir immer zusammenbleiben dürfen.“ — „Das kann ich euch nicht gewähren“, entgegnete lächelnd der Feenkönig, „aber einmal im Jahre dürft ihr euch treffen.“ John wurde in eine Stechpalme, Jack in eine Mistel verwandelt. — Die Mutter beschließt das Märchen mit den Worten: „Wenn du, Kind, Weihnachten dein Haus mit Stechpalme und Mistel schmückst, führst du die zwei Freunde zusammen, und dann sind sie so glücklich wie du.“
Die in diesem Märchen erwähnte Stechpalme steht bei mir als nächstes mikroskopisches Objekt auf der Liste, passend zur Osterzeit, wo die Stechpalme am Palmsonntag in unseren Breiten als Ersatz für echte Palmen dient.
Nun zur mikroskopischen Betrachtung der Mistel. Die Probe nahm ich von einer im Garten meiner Schwester stehenden Weißtanne, die zahlreiche Misteln trägt.
3 Beschreibung
Die hier behandelte weißbeerige Mistel (Viscum album) ist systematisch folgendermaßen einzuordnen:
- Eudikotyledonen (bedecktsamige Pflanzen, u.a. zweikeimblättrige (= Dikotyledonen))
- Kerneudikotyledonen
- Ordnung: Sandelholzartige (Santalales)
- Familie: Sandelholzgewächse (Santalaceae)
- Gattung: Misteln (Viscum)
- Art: Weißbeerige Mistel
Die Weißbeerige Mistel ist ein Halbschmarotzer, d.h. sie wächst auf Ästen von Bäumen, treibt Senkwurzeln in das Holz ihrer Wirtspflanze und zieht aus deren Leiterbahnen Wasser mit den darin enthaltenen gelösten Salzen. Sie ist aber nicht auf die Photosynthese der Wirtspflanze angewiesen, da sie selbst über Chlorophyll verfügt. Die Photosynthese ist übrigens der einzige biochemische Prozess, bei dem Lichtenergie in chemisch gebundene Energie (organische Verbindungen insb. Kohlehydrate) umgewandelt wird.
Die Mistel ist von sattgrüner Farbe, nur die selteneren männlichen Pflanzen sind gelblich grün. Sie wächst mit der Zeit zu einem kugeligen Busch mit bis zu 1 m Durchmesser heran.
Die Mistel kommt in drei Unterarten vor, nämlich der Tannenmistel (Viscum album ssp. abietis), die nur auf der Weißtanne wächst. Da in unseren Gegenden Weißtannen in den Wäldern nur mehr zu einem geringen Anteil vorkommen, ist die Tannenmistel entsprechend selten anzutreffen. Eine weitere Unterart ist die Kiefernmistel (Viscum album ssp. austriacum), die die Waldkiefer, die Schwarzkiefer und die Bergkiefer, seltener auch Fichte und Lärche besiedelt und schließlich die Laubbaummistel (Viscum album ssp. album). Sie besiedelt häufig Linde, Weide, Pappel, Apfel, Mehlbeere, Weißdorn, Robinie, Ahorn und Birke, selten Roteiche, Erle, Haselnuss, Hainbuche, Gemeine Hopfenbuche, Nussbaum, Zürgelbaum, Birnbaum, Mispel, Felsenbirne, Prunus-Arten und Rosskastanie. Sehr selten können auch Edelkastanie, Eiche, Ulme und Esche befallen werden. Die Laubbaummistel ist daher am häufigsten anzutreffen. Rotbuche und Platane gehören zu den mistelfesten Bäumen und werden nicht besiedelt. Der sehr seltene Befall von Eichen hat dazu geführt, dass die Eichenmisteln von alters her besondere Verehrung genossen, so insbesondere bei den Druiden, denen sie heilig war (vgl. oben Plinius in seiner Naturgeschichte).
Die dichotome Verzweigung (regelmäßig und gabelig) ist ein typisches Merkmal der Mistel, weshalb sie auch Kreuzholz genannt wird. Jede Gabelung entspricht einem Jahr der Pflanze. Die Sprossachsen weisen an den Nodi eine furchenförmige Gliederung auf, eine Stelle, an der sie leicht brechen. Am Ende eines jeden Stängels bilden sich nur zwei gegenständige längliche Blätter aus, die nur schwach ausgebildete und parallel verlaufende Blattadern aufweisen. Die Blätter sind oft mehrjährig, dicklich und lederig und je nach Art in der Regel ca. 3 cm lang und ungefähr 1,5 cm breit. Mit fortschreitendem Alter entwickelt die Mistel Holz mit nur schwach erkennbaren Jahresringen.
4 Fortpflanzung
Die Mistel ist zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch) und blüht üblicherweise in der Zeit von Mitte Jänner bis Anfang April. Die Blüten sind recht unscheinbar und nur wenige Millimeter groß. Rund neun Monate nach der Blüte, also im späten Herbst kommt es zur Reife der Früchte. Die weißlichen Beeren mit einem Durchmesser von etwa 1 cm sind kugelförmig und enthalten meist nur einen Samenkern, der von einem weißen, zähen, durch Viszin schleimig klebrigen Fruchtfleisch (Pulpa) umgeben ist.
Die Verbreitung der Samen erfolgt durch Vögeln, die sie fressen. Entweder werden dann die klebrigen Samen gezielt an Zweigen abgestreift, oder die Samen werden von den Vögeln wieder ausgeschieden. Der Samen erleidet während des Passierens des Verdauungstraktes der Vögel keinen Schaden, er bleibt also keimfähig. Das nicht vollständig verdaute Viszin sorgt dafür, dass die Samen auch nach der Passage durch den Vogeldarm an Zweigen haften.
Wenn der Samen auf einem Ast der Wirtspflanze im Frühjahr zu keimen beginnt, zeigt der Keimstängel (Hypokotyl) ein eigenartiges Verhalten. Anders als bei Keimen sonst üblich streckt er sich nicht nach dem Licht, sondern im Gegenteil in die Gegenrichtung zur dunklen Rinde. Die Keimblätter formen sich zu Haftscheiben, mit denen sich der Keim auf der Rinde festhält. Unter den Keimblättern entwickelt sich ein Schlauch, der im Kontakt mit der Rinde einen Saugfortsatz, Haustorium oder Primärsenker genannt, entwickelt. Der Primärsenker durchdringt die Rinde und sucht den Anschluss an das Kambium des Wirtes. Es findet ein Wettlauf zwischen dem Dickenwachstum des Astes und dem Wachstum der Mistel statt. Bei einem starken Dickenwachstum des Astes kann der Primärsenker überwallt werden und die Mistel stirbt ab. Ausgehend vom Primärsenker entwickeln sich Rindenstränge, die parallel oder senkrecht zur Achse des Wirtsastes in der Rinde verlaufen und sich so netzartig ausbreiten. An den relativ langsam wachsenden Rindensträngen bilden sich jährlich reihenweise zwei bis drei Sekundärsenker, die in gleicher Weise wie der Primärsenker vom Wirtsholz umwachsen werden.
Im nun folgenden ersten Bildteil zeige ich Aufnahmen vom normalen bis in den Makrobereich. Verwendet wurden eine Nikon D750 sowie eine Nikon Z6, beide mit 24 MP und die Objektive Nikkor 24-120 mm/f4.0, AF Micro Nikkor 105 mm/f2.8, Sigma APO Macro 150 mm/f2.8 und ein Loewa 25 mm/f2.8 Ultra Macro 2.5-5.0x. Im 2. Teil folgen sodann die mikroskopischen Aufnahmen.
Zum Anfertigen der Schnitte habe ich zunächst aus dem Tannenast an der Anwuchsstelle eine parallel zur Längsachse des Astes verlaufende Scheibe herausgeschnitten und eine ebensolche Scheibe parallel zur Querachse. Die Scheiben wurden dann mit Sekundenkleber auf einen kleinen Holzblock aufgeklebt und dieser dann ins Mikrotom eingespannt. Durch die recht große Schnittfläche war das Schneiden nicht ganz so leicht. Es fiel relativ viel Ausschuss an. Da die Schnitte stark zum Einrollen neigen, war es fast unmöglich beim Eindecken Luftblasen zu vermeiden. Das erforderte dann einiges an Retuschierarbeit am PC.
Hier zunächst einige Makroaufnahmen der Längs- und Querschnitte durch die Anwuchsstelle und das Haustorium.
5 Mikroskopische Darstellung
5.1 Spross
Nachdem ich im 1. Teil die Mistel im Allgemeinen beschrieben habe, samt Fotografien bis zum Makromaßstab, folgt nun im Teil 2/1 die mikroskopische Darstellung von Querschnitten des Sprosses der Mistel. In einem noch folgenden Teil 2/2 werde ich dann mikroskopische Querschnitte des Mistelblattes, sowie Schnitte des Haustoriums zeigen. Die Aufnahmen des Sprosses wurden im Wesentlichen mit einer Canon760D an den Mikroskopen Zeiss Axio Lab.A1 FL-LED mit Zeiss EC Plan Neofluar Objektiven (5x, 10x, 20x und 40x) und einem auf LED-Beleuchtung umgerüsteten Carl Zeiss Jena Jenaval mit den Objektiven der Serie CF 250 GF-Planachromat 1x, sowie den Planapochromaten 3,2x, 6,3x, 12,5x, 25x und 50x aufgenommen. Das Jenaval ist mit einem Vergrößerungswechsler 0,8x, 1,0x und 1,25x ausgestattet. Da der Doppelkondensor beim Objektiv 1,0x keine wirklich homogene Ausleuchtung ergibt, habe ich eine GENIFOS LED backlight anstelle des Kondensors eingesetzt (vgl. dazu J. Piper: Objekte in neuem Licht – Verwendung einer großflächigen LED-Durchlicht-Einheit an Standardmikroskopen in Mikroskopie Jg. 6. Nr. 3/2019, S 163-178). Am Axio Lab.A1 entstanden die Hellfeld- und Dunkelfeldaufnahmen und jene in Fluoreszenz (LED mit 470 nm, Anregungsfilter 475 +/- 14 nm, Emissionsfilter LP ab 500 nm), am Jenaval die Polarisationsaufnahmen, sowie jene mit geringer Vergrößerung (1x, 3,2x).
Neben den Standardfärbungen mit W3AsimI und III, FCA und FSA habe ich auch mit verschiedenen anderen Färbemöglichkeiten experimentiert, so mit W3AsimI aber sukzessiv gefärbt, Acriflavin, Astrablau, Chlorazol und Safranin.
Zu Jahresbeginn wurde einige Zeit in mikroskopie-forum.de eine Ersatzfärbung für das nicht mehr erhältliche Kernschwarz diskutiert. U. a. wurden als Ersatz Fe-Gallus-Tinte und Chlorazol verwendet. Einige Versuche mit diesen Färbestoffen zeige ich ebenfalls.
Bei den meisten Aufnahmen habe ich Fokusstacking mit mindestens 15, meistens 30 Einzelbildern angewandt. Das Stacking erfolgte mit der Software Zerene Stacker. Die Nachbearbeitung der Bilder erfolgte mit der Software ACDSee Photo Studio Ultimate 2021. Bei großflächigen Motiven habe ich mehrere Einzelbilder gesticht.
Drei Motive habe ich fotografiert, nämlich Querschnitte durch Spross und Blatt, sowie einen Längs- und Querschnitt durch die Haustorien im Bereich der Einwuchsstelle der Mistel in die Wirtspflanze, die ich wegen des Umfanges in 2 Unterabschnitten darstellen werde.
Verwendete Abkürzungen:
HF = Hellfeld
DF = Dunkelfeld
AF = Autofluoreszenz
FL = Auflichtfluoreszenz
POL = Polarisationskontrast
(…x) = Einstellung Vergrößerungswechsler
λ/4 = Verwendung einer Verzögerungsfolie um λ/4 der Wellenlänge
5.2 Diverse Färbeversuche
5.3 Blatt
Was bei der mikroskopischen Betrachtung der Mistel noch fehlt, ist das Blatt und das Haustorium. Letzteres ist vor allem deshalb interessant, weil es eine besondere Eigentümlichkeit parasitärer Pflanzen ist.
5.4 Haustorium
Ein Haustorium ist ein Saugorgan zur Nährstoffaufnahme, mit dem eine Pflanze oder ein Pilz Stoffe wie Wasser oder Nährstoffe von einem anderen Teil des eigenen Individuums oder von einem fremden Organismus aufnimmt. Die meisten parasitischen Blütenpflanzen haben ihre Wurzeln zu Haustorien umgebildet, etwa die Mistel. Einige wenige bilden ihre Haustorien aus Sprossgewebe. Die Haustorien dringen in das Gewebe der Wirtspflanze ein, wo sie den Kontakt zum Leitbündel suchen. Es werden sowohl Xylem wie auch Phloem angezapft. Der Stoffaustausch mit dem Phloem dürfte zumindest teilweise über Plasmodesmen, also symplastisch erfolgen. Die Misteln stellen den Gewebekontakt durch ein Adhäsionsepithel her. Dessen Zellen ähneln Sekrethaare (© Wikipedia).
Literatur & Quellen:
Strasburger Lehrbuch der Botanik 35. Aufl. S 172 und S 824
https://de.wikipedia.org/wiki/Misteln
https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fbeerige_Mistel
https://de.wikipedia.org/wiki/Eichenmistel
https://de.wikipedia.org/wiki/Haustorium
Dr. Martina Melzer: Mistel, Heilpflanzen-Lexikon
https://www.apotheken-umschau.de/medikamente/heilpflanzen/mistel-736341.html
http://www.norikum.eu/eichenmistel.htm
Mistel (Viscum album)
https://www.baumkunde.de/Viscum_album/
https://www.rolfpfischter.ch/Brauchtum.html
Mistel und Stechpalme
http://www.nature-themes.ch/xml_1/internet/de/application/d129/f131.cfm
The Mistletoe Pages http://mistletoe.org.uk/homewp/
Ralf Petercord, Alexandra Wauer, Florian Krüger, Günter Wallerer: „Grüne Mitesser“ – Die Mistel an Tanne, Kiefer und Laubbaumarten – LWF aktuell 112
LFW Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft https://www.lwf.bayern.de/waldschutz/pflanzenschutz/156487/index.php
- Schwab: Ungebetene Säufer: Weiße Mistel und Eichenriemenblume https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/schadensmanagement/trockenheit/ungebetene-saeufer
- Beiser: Die Mistel – ein Gewächs zwischen Himmel und Erde https://www.waschbaer.de/magazin/mistel-mythos-und-wirkung/
Hans Wagner: Die Mistel – eine alte Zauber- und Heilpflanze
Heilpflanzen Wissen – Mistel
http://heilpflanzenwissen.at/pflanzen/die-mistel/
„Unter dem Mistelzweig“ Eine Ausstellung im Botanischen Garten Erlangen; Begleitheft zur Ausstellung
- Lemme: Ein ungebetener Säufer – die Mistel
https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/waldschutz/dateien/a72-mistel.pdf
Der ungebetene Weihnachtssäufer, Wiener Zeitung 17.12.2010
Rolf Pfister: Die Allesheilende keltische Mistel
https://www.rolfpfischter.ch/Die_keltische_Mistel.html
Hartmut Ramm: Zum Mistelkult der keltischen Druiden
https://www.rolfpfischter.ch/img/Mistelkult.pdf
Hieronymus Bock:
https://www.uni-regensburg.de/bibliothek/mistel/hieronymus-bock/index.html
https://www.zobodat.at/pdf/Stuttgarter-Beitraege-Naturkunde_514_A_0001-0018.pdf